Bewegung ist alles II

Kalligraphie als Spur einer Bewegung

Der Energieaufwand bei der Her­stel­lung des Pho­tos wird manch­mal extra sprach­lich beschrieben, wenn z.B. Fotografen über die Schwierigkeit­en bericht­en, die bei der Motivfind­ung auf­trat­en (schlecht­es Wet­ter, gefährliche Tiere…) Für das Erleb­nis der Foto­be­tra­ch­tung spielt das kaum eine Rolle; uns fröstelt nicht bei einem Schneesturmbild…

Anders bei der med­i­ta­tiv­en Kalligraphie:
Zunäch­stein­mal ist sie „mod­ern“ in dem Sinne, dass bei ihr der Her­stel­lung­sprozess im Vorder­grund ste­ht. Man set­zt sich in den Hock­sitz, die Zehen auf dem Boden, hat vor sich ein großes Papi­er, eine dick­en großen Pin­sel, der gut in der vollen Hand liegt, stützt sich seitlich mit der linken Hand auf und beugt  sich bei großen Lin­ien recht weit nach vorn, in dem man das Beck­en hebt, und streckt den Arm bei Bedarf weit aus:

„Betätigt man sich kalligraphisch, bewegt man nicht nur den ganzen Kör­p­er auf gle­ich­mäßige Weise, son­dern man übt auch die Lebensen­ergie Ch’i im Innern, d.h. man übt Ch’i kung.…
Die Übung der Kalligra­phie fol­gt den sel­ben Prinzip­i­en wie Ch´ikung, Med­i­ta­tion, Kampfkun­st. Von der Kalligra­phie des Wang Shi-Chi ist über­liefert, er habe den Pin­sel mit solch­er Kraft geführt, daß die Tusche Zen­time­ter tief ins Holz gedrun­gen sei. «Ins Holz ein­drin­gen» heißt auf Chi­ne­sisch ju mu – und so geht die Meth­ode (tao) des ju mu tao und damit auch die rechte Übung der Schriftkun­st zurück auf jenen Meis­ter. In Japan ist dieser Weg bis auf den heuti­gen Tag lebendig geblieben.“ 1 (Anders 1985)

Hier also  der Hin­weis, dass  „graphis­che“ Darstel­lung eben  noch weit­ere Ebe­nen haben kann:

 Sie ist Spur eines Bewe­gung­sprozess­es – eines ener­getis­chen Prozess­es. Zur Erstel­lung der „Graphik“ ist Bewe­gung nicht nur nötig, son­dern sie geht aus Bewe­gung her­vor – konzen­tra­tiv aus der Mitte genau­so wie beim Tai­ji und Ch’ikung – ganzkör­per­lich, von den Zehen­spitzen bis zur Pin­sel­spitze. Diese Art der der Kalligra­phie heißt denn auch Shu­fa Ch’ikung.

 Man sieht manch­mal am Pin­sel­strich, ob dieser mit ruhiger Hand geführt wurde und an den Schriftze­ichen­lin­ien kann man, wenn man selb­st schon mal Kalligra­phie geübt hat, unge­fähr nach­fühlen, wie der Bewe­gungs­fluß ver­lief, ja sie kön­nten Nav­i­ga­tion­slin­ien sein zum Nach­machen eben jen­er ganzkör­per­lichen Schreibbewegungen.

 Bei der Grass­chrift sind dann die Zeichen auch beson­ders gut dafür geeignet; sie umspie­len oft eine ver­tikale Lin­ie, eine gedachte oder tat­säch­lich geze­ich­nete, gehen von oben nach unten, sodass die den Pin­sel führende Hand ähn­lich aufs Zen­trum gerichtete Bewe­gun­gen vollführt wie beim Ch’ikung.

 

Balance-3
CC: BY-ND-SA – „Bal­ance“ von Rüdi­ger FLesch on alles formen“ 

 

So ein Ver­weben mit ganz­er Bewe­gung ist beim Com­put­erze­ich­nen mit der Maus nicht möglich. Sollte jemand mal einen Mausarm bekom­men – hier die Empfehlung, mal die Grafiken anders zu pro­duzieren, abfo­tografieren und rein in den Blog! Auch ist dieses ein direk­ter Beitrag zum The­ma «gen­er­al­is­tis­che Betra­ch­tung ver­sus Fokussierung»: Bewe­gung ist keine Kat­e­gorie son­dern über­all dabei  alles. (Das Beitrags­bild ist anfänglich mit großem Pin­sel wie eine Kalligra­phie gemalt.)

 

 

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