Unsachliche Kritik

Jede Kritik, die kränkend ist – kränken soll – , ist unsachlich; meistens will der Kritiker eben nicht ins Detail gehen, gerade weil er kränken will und das Detail dazu zu differenziert ist.Grob geht’s nicht nur gegen dich –  glaub nicht, dass du wirklich gemeint bist! In Bausch und Bogen reden geht generell gegen die Anderen: «die da oben», «das Pack», «die Linken», «die Amerikaner» . (Hier knüpft der Beitrag zum Alltagschauvinismus an.)

Besser als eine Fernsehsession oder ein Runterspülen mit Bier
in-der-Kneipeist gleich ein unberührtes Nachfragen: Es gibt Aufschluss über die Intention des Kritikers, lässt seine Absicht ins Leere laufen und packt ihn bei seiner Oberflächlichkeit. Was meinen Sie mit stereotyp? Was meinen Sie mit Schwachsinn?

Explizit/implizit

Die Worte sind nicht implizit zu nehmen, sondern explizit: das Wort „Schwachsinn“ hat keine kränkende Wirkung in sich, sondern nur in dem Empfänger. Der Kränkende wirft es einem wie einen Zauberspruch entgegen, von dem er meint, dass er kränkende Wirkung in sich habe, an die auch der Adressat glaubt. Er will ein Kränkungsritual. (Rituale, Symbole für das Verhältnis des Menschen zu den letzten Dingen, wie Tod, Liebe, eignen sich hier z.B. auch für die Übertragung von Schuld und Verantwortung.) Und da in unserer Zeit keine solchen Rituale kultiviert abgehalten werden, suchen sich viele Menschen Symbolisierungsmöglichkeiten quasi zwischendurch und zwingen andere dazu, es mit ihnen durchzuspielen.

Im Berufsleben: das Ritual von Versagen und Bestehen

Die Kränkenden sind immer die Betrachtenden, Erkennenden, Urteilenden und die Anderen die in Schuld, Ansehensverlust und Bestehen zappelnden. Das ist ein Sich Erhöhen über den anderen. Der Mensch neigt dazu, auch bei kleinen Problemen, seine Schuld-/Minderwertigkeitsgefühle symbolisch zu transformieren, ja bei (wie im Berufsleben durchaus möglich) immer wiederkehrenden Situationen auch immer das gleiche Ritual abzuhalten, gewissermaßen gewohnheitsmäßig und dann auf bestimmte Weise seinen „Sündenbock“ zu suchen (wie beim Opferritual das Opfer), ohne dass noch der Bezug zu den eigenen Schuld-/Minderwertigkeitsgefühlen von ihm selbst, geschweige denn von den anderen wahrgenommen würde. Gefühle sind auch oft nur relativ bezogen: der Chef meint auf seine Autorität mehr achten und dann und wann auszuspielen zu müssen oder mit ihr etwas überspielen zu müssen (ein „minderwertiger“ Chef schon bei nur autoritätsmindernden Fehlern), im Autoverkehr dräut irgendein Blechschaden am Statussymbol (latente Schuld am Blechschaden).

Wir wollen Verständigung, deswegen glauben wir an die Bedeutung der Worte und tappen in eben jene Falle, auch an die Bedeutung des Rituals zu glauben, das oft mit den gleichen Wörtern verfasst ist, wie es auch eine sachliche Kritik hätte sein können, nur wäre diese eben nicht gesprochen zwischen Priester und Opfer, sondern auf Augenhöhe.

Aber die Augenhöhe besteht oft schon nicht mehr so richtig, z.B. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auch wenn beide es sind, die etwas geben und nehmen. Hierarchien sind Formen des sozialen Lebens, die so symbolisch sind wie Rituale oder Sprache.

Nicht zu denken, nicht zu ritualisieren, selbiges zu üben, in der Meditation mit  Bewegung, relativiert das Alltagsspiel mit Geld und Geltung und damit unser Betroffen-, Getroffensein. Alle Menschen sind gleich, wenn man den symbolischen Brast weglässt. Das ist nur annähernd zu erreichen, aber das reicht um den sozialen Zumutungen das Drama zu nehmen, es bietet eine relative Gelassenheit.

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